Auf die Passung kommt’s an: Werteorientierte Teamentwicklung
Das Wort „Team“ ist heutzutage in aller Munde, doch statt Synergien liefern Arbeitsgruppen oft schlechtere Ergebnisse als erwartet. Wie die Passung zwischen Person, Gruppe, Organisation und Markt den entscheidenden Unterschied macht, welche Rolle Werte dabei spielen und wie Werteanalysen wie die 9 Levels of Value Systems® bei der Gestaltung von Teamkultur unterstützen können.
Die 9 Levels of Value Systems® basieren auf dem Wertemodell von Prof. Clare W. Graves.
Stellen Sie sich vor, Sie würden an einem Seil ziehen und man würde Ihre eingesetzte Kraft messen: 63 kg, nicht schlecht! Anschließend kommt ein gleich starker Kollege oder eine Kollegin hinzu und Sie ziehen zu zweit: 118 kg. Auch gut, aber ganze 8 kg weniger als Ihr eigentliches gemeinsames Potenzial. Drei Personen bringen dann nur noch eine Zugkraft von 160 kg auf – also 29 kg weniger als möglich! Wie kann das sein?
Dieser wissenschaftlich nachgewiesene Produktivitätsverlust bei zunehmender Gruppengröße wird Ringelmann-Effekt genannt. Er geht auf Max Ringelmann zurück, der Ende des 19. Jahrhunderts feststellte, dass durch mehr Menschen nicht automatisch mehr Leistung entsteht. Erklärbar ist das durch einen Koordinations- und Motivationsverlust, wenn der individuelle Beitrag einer Person am Gruppenergebnis nicht als solcher erkannt wird. Will heißen: Teamarbeit führt nicht zwangsläufig zu den erhofften Resultaten.
Wenn’s passt „wie Arsch auf Eimer“
Doch was macht dann den Unterschied aus? Wann sind Teams wirklich erfolgreich? Das Zauberwort lautet: Passung! Die einzelne Person muss zur Gruppe passen, die Gruppe zur Organisation, die Organisation zum Markt.
Die New-Work-Kulturen von Google und Co. werden heutzutage gern als positives Beispiel dafür angeführt, wie Teamarbeit funktionieren kann. Doch stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein co-kreatives, agiles Google-Team findet sich plötzlich in einem patriarchalisch geführten mittelständischen Unternehmen im ländlichen Raum wieder. Wird das Team weiterhin erfolgreich sein? Sehr wahrscheinlich nicht.
Doch warum genau passt das nicht zusammen? Wie kann greifbar gemacht werden, was passt und was eher nicht? Dazu braucht es eine nähere Betrachtung dessen, was genau die Kultur eines Teams ausmacht.
Teamkultur und das 7-S-Modell
Um Teamkulturen umfassend zu beschreiben, ist das 7-S-Modell der Unternehmensberater Thomas J. Peters und Robert H. Waterman sehr hilfreich. Die beiden fragten sich in den 70er-Jahren, warum sich Organisationen zwar in ihrem Aufbau und ihrer Strategie grundsätzlich sehr ähneln, damit aber sehr unterschiedlichen Erfolg haben. Sie erklärten sich dies damit, dass es neben „harten“ Faktoren wie Strategie und Struktur auch erfolgskritische „weiche“ Elemente wie Fähigkeiten und Werte gibt. Zwar sind diese schwerer zu erfassen und zu beurteilen, aber genauso wichtig für das Gesamtergebnis. Gemeinsam bilden diese Elemente das „7-S-Modell“. Der Name war naheliegend, da die gewählten Bezeichnungen in der englischen Originalfassung alle mit S beginnen.
Das 7-S-Modell lässt sich in leicht angepasster Form auch auf Teamebene nutzen, um zu beschreiben, was ein Team im Kern ausmacht:
Führung, Mitarbeitende, Fähigkeiten, Prozesse, Struktur und Strategie sind explizite Gestaltungselemente von Teamkultur. Sie sind leicht zu erfassen und oft, zum Beispiel im Rahmen von Prozessbeschreibungen, sogar schriftlich festgehalten. Werte hingegen sind ein implizites Element von Teamkultur. Sie sind nicht direkt sichtbar, sondern manifestieren sich erst in der Ausgestaltung der expliziten Elemente von Teamkultur. Erst durch eine Werte-Analyse, zum Beispiel mithilfe von Werte-Workshops oder den 9 Levels of Value Systems® als wissenschaftlich fundiertes Analysetool, können auch sie explizit gemacht werden.
Das Wertemodell von Clare W. Graves
Die 9 Levels of Value Systems® gehen auf das Wertemodell von Prof. Clare W. Graves (1914-1986) zurück. Mit seiner Forschung konnte er zeigen, dass Wertesysteme nicht statisch sind, sondern einer dynamischen Entwicklung unterliegen. So wie ein Kleinkind erst krabbeln lernen muss, bevor es sich aufrichten kann, erfolgt auch Werteentwicklung nach einem bestimmten Muster.
Dabei passieren Veränderungen in den Wertesystemen natürlich nicht von einer Minute auf die andere. Sie sind langsame und schleichende Prozesse, die jedoch oft an einem symbolhaften Punkt „kippen“ können. Bei Menschen kann ein solcher Trigger der plötzliche Verlust eines Jobs, ein beruflicher Wechsel, die Geburt eines Kindes, eine Trennung, eine Krankheitserfahrung oder Ähnliches sein. In Teams können zum Beispiel neue Zielsetzungen, Regelungen, Vorgesetzten- oder Mitarbeitendenwechsel, neue Vergütungsmodelle oder Misserfolge den finalen Wechsel auf einen anderen sog. Level auslösen.
Die Dynamik der Wendeltreppe
Das 9-Levels-Modell nutzt die Darstellung einer Wendeltreppe, um diese Dynamik zu verdeutlichen. Dabei werden die unterschiedlichen Wertelevels mit Farben dargestellt, wobei sich in der Entwicklung Levels mit Ich-Bezug und Levels mit Wir-Bezug abwechseln:
Auf dem Level Purpur dreht sich alles um Tradition und Zugehörigkeit. Die Mitarbeitenden sind stark auf einzelne prägende Persönlichkeiten wie z. B. Inhaber:innen ausgerichtet, die den Weg vorgeben.
Für ein rotes Team sind dagegen Macht, Stärke und das eigene Ansehen zentral.
Blaue Teams sind meist große Gruppen mit hohem Formalisierungsgrad. Es gibt klare Strukturen und Zuständigkeiten, nach denen gelebt und gehandelt wird.
Bei einer orange geprägten Teamkultur stehen Produktivität und Zielerreichung des Teams im Mittelpunkt. Alle fühlen sich für die Performance der Gruppe verantwortlich und geben ihr Bestes, um das Team nach vorn zu bringen.
Grüne Teams sind geprägt von Toleranz, gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz. Konflikte werden nicht offen ausgetragen, Harmonie ist ein Schlüsselbegriff.
Im Kern gelber Teamkulturen geht es um permanentes Lernen, Wissensvermehrung und Weiterentwicklung. Materielle Erfolge und Entlohnungen, Macht und Status haben nur wenig Relevanz.
Es gibt keinen Fahrstuhl!
Veränderung von Teamkultur kann sich grundsätzlich auf drei verschiedene Arten vollziehen: Auf einem Level, nach unten und nach oben. Stellschrauben hierfür können z. B. entsprechende Anpassungen der expliziten Gestaltungselemente sein. Wichtig dabei: Es gibt keinen Fahrstuhl, das heißt, es kann kein Level übersprungen werden. Eine direkte Transformation, zum Beispiel von Blau nach Grün, ist nicht möglich. Ein Team muss in diesem Fall erst lernen, Leistung auf der individuellen Ebene zu erbringen und zu schätzen, bevor wirkliche Kollaboration entstehen kann.
In der Realität besitzt allerdings keine Person, kein Team und keine Organisation ein Wertesystem, das nur auf einem Level verankert ist. Es handelt sich immer um einen Mix aus aktuellen und vorhergehenden Werten sowie Werten, die schon abzusehen, aber noch nicht integriert sind.
Stellen Sie sich das wie den Dimmer eines Lichtschalters vor: So wie man in einem Haus auf mehreren Ebenen ein unterschiedlich helles Licht anhaben kann, so ist dies auch im Modell der Fall. Geht man auf den nächsten Level, so dimmt man die vorhergehenden Werte meist etwas herunter und dreht auf der aktuellen Ebene mehr auf.
Dementsprechend gibt es auch nicht die eine, richtige Teamkultur! Jede Ebene hat ihre Berechtigung. Ziel ist es nicht, möglichst schnell höher und weiter voranzukommen, sondern, wie bereits erwähnt, eine gute Passung der Wertesysteme zu den Herausforderungen der Lebenswelt zu erreichen. Damit es am Ende passt „wie Arsch auf Eimer!