Führung ist definitiv keine Geschlechtersache
Die Quote von Frauen in Führungspositionen liegt aktuell bei 29,5% (Quelle: Statista). Grundsätzlich nur eine Zahl, dennoch auch die bittere Realität. Denn diese Zahl stagniert seit nunmehr 10 Jahren. Doch woran liegt das? Wir haben Petra Muchow, Akademieleiterin der Leaders Academy Hamburg, Lübeck, Bremen, Osnabrück und Rostock, zum Interview eingeladen, um uns eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Die Unternehmerin und Wirtschaftspsychologin Petra Muchow ist Spezialistin in den Bereichen Führungspsychologie und Persönlichkeitsentwicklung und gibt inzwischen ihre Expertise an Führungskräfte und Geschäftsführer weiter. Ihre Leidenschaft für Neurowissenschaft und Lernpsychologie helfen ihr dabei, Lernformate zu konzipieren, die nachhaltig wirken und ihre Teilnehmer in die Umsetzung bringen. Sie ist ganz klar der Meinung, dass Führung keine Geschlechtersache ist.
Wo liegen aus deiner Sicht die Ursachen, dass die Quote von Frauen in Führungspositionen bei 29,5% liegt?
Da gibt es sicher nicht „die eine Ursache“. Es ist ein Konglomerat von verschiedenen Dingen, die in Summe dazu beitragen. Zum einen netzwerken Frauen oft anders als Männer. Viele Geschäfte werden häufig gar nicht im Besprechungsraum, sondern an der Bar gemacht. Da ist es schon wichtig, ein eigenes und sicheres Standing zu haben, um als Frau da nicht als „günstige Gelegenheit“ rüberzukommen, sondern als Geschäftspartnerin auf Augenhöhe.
Über „Frauen und Familienplanung“ ist sicher bereits ausreichend diskutiert worden. Diese stereotypischen Vorstellungen gibt es tatsächlich immer noch in den Köpfen von einigen Menschen. Aber das war für mich nie ein Thema. Ich habe als Selbstständige immer voll gearbeitet und habe zu meinen mittlerweile erwachsenen Söhnen trotzdem eine sehr enge Bindung.
Was sind die typischen Probleme weiblicher Führungskräfte?
Führungsprobleme liegen doch nicht im Geschlecht, sondern in der Natur der individuellen Persönlichkeit, im Unternehmensumfeld oder in Markttrends. Die typischen Probleme von allen sind Umgang mit der Digitalisierung, Fachkräftemangel, Corona und gelingende Kommunikation. Diesen Problemen ist es ehrlich gesagt völlig egal, ob du dich als Mann oder als Frau mit ihnen auseinandersetzen darfst.
Was würdest du Frauen empfehlen? Welche Skills sind aus deiner Sicht notwendig, um eine Führungsposition zu erreichen?
Persönlichkeitsentwicklung ist das A und O! Wenn du dich selbst gut kennenlernst, dazu viele kluge Impulse von außen bekommst und dich in einem entsprechenden Netzwerk mit anderen austauschst, dann lernst du in kleinen Schritten, dich weiterzuentwickeln und persönlich zu wachsen. Das passiert einfach, wenn guter Input kommt. Wachstum ist ein Prozess. Ein Wochenendseminar über „wie ich mit meinen männlichen Mitarbeitern kommuniziere“ macht bestimmt Spaß, ist aber kaum nachhaltig. Mein Tipp:
Lerne hinzuschauen, wo es in dir drin piekst!
Wahrnehmen, beobachten, nach innen schauen.
Nicht sehr neu und auch nicht innovativ – aber sehr wirksam.
Führen Frauen grundsätzlich anders als Männer und wo liegen die signifikanten Unterschiede?
Ich stehe nicht so auf die Stereotypisierung und halte sie nicht für „wahr“, sondern bin überzeugt, dass das mehr mit Glaubenssätzen und individuellen Überzeugungen zu tun hat. Ich arbeite mit wahnsinnig fähigen Frauen in Führungspositionen zusammen. Empathisch, gebildet, herzlich, analytisch, durchgreifend wenn nötig, scharfsinnig… und unglaublich gutaussehend!
Eine Sache gibt es jedoch: Viele Frauen denken, dass in Führung und Verhandlungen die Sachebene für Verhalten relevant ist.
Wir dürfen uns jedoch dabei noch viel mehr mit der non-verbalen Kommunikation beschäftigen. Dinge, die mit „der Sache“ überhaupt nichts zu tun haben, am Ende aber entscheidungsrelevant sind. Dazu gehören Status-Spielchen, gezeigte „innere und äußere Präsenz“ und die unschlagbare Fähigkeit, Situationen und Gesagtes nicht so ernst oder zu persönlich zu nehmen.
Frauen wird oftmals eine überlegene Empathie unterstellt im Vergleich zu Männern. Für wie wichtig hältst Du die Bereitschaft zu verstehen, was Mitarbeiter bewegt?
Die Bereitschaft zuzuhören und den Mitarbeitern mehr Freiheit zu geben, Dinge auszuprobieren, wenn es dem gleichen Ergebnis dient – Empathie ist eine der grundlegend wichtigsten Fähigkeiten für jede Führungskraft. Mehr noch: Es ist ein Teil ihres Jobs! Wenn sie das nicht draufhaben, hinzuschauen, zuzuhören, Vertrauen zu geben und von ihrem Team Vertrauen ausgesprochen zu bekommen, dann sind sie keine Leader. Dann sind sie Aufgabenverwalter oder Kontrolleure. Es gibt übrigens sowohl weibliche wie männliche Aufgabenverwalter!
Wie hoch ist der Frauenanteil unter deinen Teilnehmern?
In meinen Trainingsgruppen ist das ziemlich ausgewogen.
Ist Corona eine Gefahr im Bestreben nach mehr Verantwortung in Unternehmen? Viele Frauen sehen sich gezwungen, wieder komplett die Kinderbetreuung zu übernehmen.
In diesem Boot sitzen wir alle zusammen. Kinder haben normalerweise zwei Elternteile und wenn die es nicht schaffen, sich gemeinsam zu kümmern und abzusprechen, dann liegt das Problem nicht bei Corona, sondern in der Partnerschaft. Wir dürfen alle lernen, über unsere Bedürfnisse zu sprechen, auch wenn es manchmal vielleicht nicht angenehm ist. Aber einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, weil ich vielleicht Angst habe, der andere mag nicht mehr oder verlässt mich, ist sicher keine nachhaltige Lösung, die auf lange Sicht zufrieden macht. Da bin ich dann wieder für die Ursachenbekämpfung.
Das größte Geschenk ist es, wenn wir uns gegenseitig erlauben, voneinander zu lernen – egal, ob wir als Mann, als Frau oder als irgendetwas dazwischen auf der Welt sind. Führung beginnt immer in mir selbst und meiner Selbstführung. Hinschauen, wahrnehmen, beobachten und in kleinen Schritten in die Richtung gehen, die sich für „dich“ am besten anfühlt.