Professionelles Führen ist das Führen von Emotionen!
Gibt es Skills, die notwendig sind, um eine Führungsposition zu erreichen? Wir haben Bettina Schaap, Akademieleiterin der Leaders Academy Bamberg – Würzburg, zum Interview eingeladen, um uns eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Als ehemalige Führungskraft und Geschäftsführerin hat Bettina Schaap in ihrer heutigen Funktion als Führungskräftetrainerin bereits über 600 Führungskräfte in den letzten sieben Jahren ausgebildet. Zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ hat sie klar die Meinung, dass Frauen das flexiblere Geschlecht sind und sich dadurch besser auf das Fördern und Fordern ihrer Mitarbeiter*innen einstellen können.
Wo liegen aus deiner Sicht die Ursachen, dass die Quote von Frauen in Führungspositionen bei 29,5% liegt?
Zunächst die Frage, ist eine Quote von 29,5% gut oder schlecht? Angesichts der Unterstützung, die berufstätige Frauen in Deutschland bekommen und der anhaltenden Mehrfachbelastung ist das doch erstmal ganz gut. Geht es besser? Eindeutig: Ja! Was ist eine passende Quote? Wenn alle die Frauen, die Verantwortung übernehmen wollen und das Führungstalent dafür haben, auch die Chance bekommen, in die Führungsverantwortung zu gehen, dann wird die Quote sicherlich steigen. Doch das reicht nicht.
Nach vielen Jahrzehnten Erfahrung als Führungskraft bin ich zur Befürworterin der Frauen-Quote geworden. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten Bahnbrechendes verändert, nur der Anteil der Frauen in verantwortungsvollen Positionen in Wirtschaft und Politik ist rückläufig! Es geht darum, diese Entwicklung umzukehren. Die deutsche Wirtschaft wird es sich in der Zukunft nicht erlauben können, auf die weiblichen Führungsqualitäten zu verzichten. Damit ist es nicht allein den Frauen überlassen, sich in die Führungsposition zu bringen, sondern wir brauchen das erklärte Ziel, die bestmögliche Volkswirtschaft zu werden, die es geben kann.
Dazu braucht es Rahmenbedingungen, die Talente bewusst sucht, sichtet und fördert – unabhängig vom Geschlecht. Damit wir bei der Sichtung nicht so blind bleiben, wie wir es in den letzten Jahrzehnten waren, braucht es geänderte Rahmenbedingungen – nämlich eine Quote.
Was sind die typischen Probleme weiblicher Führungskräfte?
Frauen benötigen ein sehr gutes Netzwerk an Verbündeten, um die Voraussetzungen zu schaffen, Führungskraft zu sein. Lange bevor die Entscheidung für die Führungsverantwortung fällt, gilt es ein Lebenskonzept zu entwerfen und Verbündete dafür zu finden. Es bedarf guter Überzeugungskraft dafür. Die Überzeugungsarbeit geht im Unternehmen weiter. Im Kreis der Entscheider über die Führungspositionen geht es darum, mutig seine Fähigkeiten und seine Ambitionen zu präsentieren. Dazu braucht es eine gute Reflektion der eigenen Stärken, um als angehende Führungskraft authentisch und selbstbewusst agieren zu können.
Ist der Weg zur Führungskraft geschafft, dann helfen die erworbenen Fähigkeiten, sich gut in einem fordernden Umfeld zu bewähren. Die Führungskraft steht immer in der Beobachtung von Mitarbeitern, Kollegen und den Chefs. Hier geht es um persönliche Eigenschaften wie Standpunkt beziehen und begründen, um Flexibilität, um Vorbild sein, um Überzeugungskraft, um Einsatzbereitschaft, um fachliche Kompetenz und Kreativität.
Eine der Kernkompetenzen ist nach meiner Erfahrung, Interessen und Konflikte auszugleichen. Hier ist das Feld für Einschüchterungen und Status-Spiele, die Frauen entweder zu früh aufgeben lässt oder härter als Männer spielen lässt. Authentische Souveränität ist bei der Lösung von Konflikten sehr gewinnend.
Was würdest du Frauen empfehlen? Welche Skills sind aus deiner Sicht notwendig, um eine Führungsposition zu erreichen?
Wir alle brauchen Feedback. Es geht darum, den blinden Fleck unserer Talente zu füllen und daraus ein Selbstbewusstsein zu erlangen. Die fachliche Qualifizierung wird in der Zukunft immer weniger Gewicht haben, denn der Wissenszuwachs beschleunigt sich immer mehr. Das bedeutet, dass persönliche Qualitäten und Eigenschaften und das Bewusstsein dafür immer wichtiger werden. Darin sehe ich eine große Chance für Frauen, Ihre zugewiesenen Eigenschaften wie Empathie und Emotionale Intelligenz zu nutzen.
Empathie und Emotionale Intelligenz sind die zentralen Eigenschaften, um sich selbst und auch die Mitmenschen in Bewegung zu bringen. Professionelles Führen ist das Führen von Emotionen. Wem es gelingt, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und souverän damit umzugehen, ist auf der Überholspur. Gerade in der zunehmend digitalisierten Zukunft ist die menschliche Kompetenz der Führungskräfte der Schlüssel zum Erfolg.
Welche Erfahrungen hast du gemacht? Führen Frauen grundsätzlich anders als Männer und wo liegen die signifikantesten Unterschiede?
Ich halte den Unterschied für gar nicht so gravierend. Selbstverständlich gibt es Kommunikations- und Sozialkompetenzen die eher der weiblichen Natur zugeschrieben werden und Eigenschaften wie Durchsetzungsstärke und Selbstsicherheit, die eher der männlichen Natur zugeschrieben werden. Egal, ob Mann oder Frau, tuen wir gut daran, die Eigenschaften im Gespräch zur Geltung zu bringen, die das Gegenüber überzeugen. Klug ist es, den anderen so anzusprechen, wie er oder sie angesprochen werden will. Klug ist es auch, eine Vision und einen Plan zu haben, der Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen überzeugt und das Team gut mitnimmt.
Frauen wird oftmals eine überlegene Empathie unterstellt im Vergleich zu Männern. Für wie wichtig hältst du die Bereitschaft zu verstehen, was Mitarbeiter*innen bewegt?
Alle meine Fähigkeiten, die in mir angelegt sind, nutzen nichts, wenn es nicht Menschen gibt, die mir eine emotionale Erfahrung verschaffen, um sich dieser Eigenschaft bewusst zu sein. Wir brauchen ganz persönliche Erlebnisse, Erfahrungen, Krisen, die wir überwinden, um uns emotional zu prägen. Ich sage gerne: „Leben findet durch Leben statt.“.
Wir profitieren davon mit Erlebnissen, die wir mit unseren Kollegen, Mitarbeiter und Kunden austauschen können, um sie damit emotional anzusprechen. Nach meiner Erfahrung können Frauen flexibler agieren und sich auf das Fördern sowie das Fordern besser einstellen. Ein Pluspunkt für weibliche Führungskräfte.
Siehst du durch die Corona Krise die Gefahr, dass Frauen in ihrem Bestreben zurückgeworfen werden, mehr Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen? Viele Frauen sehen sich gezwungen, wieder komplett die Kinderbetreuung zu übernehmen.
Corona stellt uns alle vor vollkommen neue Erfahrungen und neue Situationen. Aufgrund Ihrer multioptionalen Lebenserfahrung gelingt es Frauen leichter und schneller sich auf neue Lebenssituationen einzustellen. Hier liegt die Gefahr, dass Frauen zu selbstverständlich, die neue Situation annehmen und schnell erledigen. Damit halten sie ihre Ehemänner außen vor. Die erfahrene Führungskraft weiß allerdings um die Notwendigkeit des Delegierens. Damit ist der Umgang mit der Corona-Krise ein Persönlichkeitstest für uns alle. Fallen wir zurück in alte Verhaltensmuster, um uns subjektiv das Gefühl von Sicherheit zu geben, oder begreifen wir die Chance und stellen überholte Verhaltensmuster in Frage und werden flexibler und freier? Diese Veränderungsdynamik können wir als Frauen nutzen. Übergeben wir den Vätern die Verantwortung, die ihnen in der Kindererziehung zusteht.
Als Vorbildfunktion für viele Frauen – was ist deine zentrale Botschaft, die du aus deiner Erfahrung weitergeben würdest?
Mein Weg aus meinen Krisen ist geprägt von der tiefen Zuversicht: „Dann lass mal herausfinden, wofür das gut ist.“. Das ist mein Weg, um auch durch die Krisen und Prüfungen, die mir gestellt werden, die Liebe zum Leben nicht zu verlieren.
Damit sind wir übrigens bei der zentralen Emotion für die Zukunft. Ich hörte gerade in einem Vortrag eines Mental-Trainers, dass sich das Coaching der mentalen Kräfte z.B. im Sport aktuell verändert. Neue mentale Übungen zielen darauf ab, die Liebe zum Leben und die umfassende Dankbarkeit dafür, zu aktivieren. Wenn ich auf schwierige und herausfordernde Kunden treffe, ist mein Mantra ganz einfach: „Ich bin Liebe“ und schon entspannen sich meine Gesichtszüge und meine Stimme wird weicher und ich bin frei zu entscheiden: Kooperation oder Konfrontation.
Mein Tipp: Werdet eine Persönlichkeit, die gut Entscheidungen treffen kann.
Trefft Entscheidungen, denn die bringen euch ins Leben. Keiner trifft wissentlich eine falsche Entscheidung. Wenn wir allerdings feststellen, dass wir eine falsche Entscheidung getroffen haben, dann nehmt die Lehre an und korrigiert euren Weg.